Politik und Verwaltung der Gemeinde
Durch den Umstand, daß Wetzen weder ein Gericht,
noch eine Kirche besaß (Wetzen gehörte mindestens
seit 1217 zum Kirchenspiel Raven), gibt es über die politi-
sche Entwicklung bis hin zu den Bürgermeistern und
Gemeinderäten kaum Aufzeichnungen.
Alles begann mit der Gründung des Dorfes Wetzen um
etwa 820 (entnommen aus den Aufschreibungen von
Herrn Dr. Reineke).
Wetzen stand dann bis zum Jahr 950 unter fränkischer
Grafschaftsverealtung durch die Nachfahren des
legendären Herzog Widukind. Von 950 bis 1106
regierten die Billunger, Herzöge aus Sachsen.
Denen schlossen sich die Welfen (Heinrich der Löwe
u.a.) bis 1866 an.
Die Orte der Herrschaft wechselten häufig, so z.B. von
Lüneburg nach Celle, weiter nach Hannover und später
gar nach London. Doch das alles werden die Wetzener
kaum bemerkt haben; ganz sicher aber hat es sie nicht
Johann Peter Christoff Warner
interessiert, denn die stets konservativen Wetzener
legten mehr Wert auf eine gut funktionierende und
eingeschworene Dorfgemeinschaft, als auf die große
Politik.
Für diese Verhaltensweise sprechen auch die langen
Amtsperioden der einzelnen Bürgermeister.
Nachdem offensichtlich von ca. 1600 bis 1852 der
ernannte Burmester (Bauermeister) - und zwar jeweils
in der Reihenfolge der Hofanordnung - den Ortsvor-
stand für ein Jahr übernahm (Wechsel des Vorstandes
erfolgte stets am 2. Februar des Folgejahres), folgte
dieser Sitte der erste gewählte Bürgermeister als
Gemeindevorsteher.
Dies war Johann Peter Christoph Warner, der der
Gemeinde bis 1876 vorstand.
Anschließend regierte von 1876 bis 1907 Heinrich Bee-
ken. Leider stehen uns aus diesen Regierungszeiten
weder Dokumente, noch Protokolle zu Verfügung.
Heinrich Beeken

Hermann Peter Blank führte die Amtsgeschäfte als
Gemeindevorsteher von 1907 bis 1934. Auch aus
dieser Zeit gibt es keine Überlieferungen, was aber
nicht unbedingt verwundern muß, denn die gute alte
Zeit war sicher nicht so problembeladen wie die sich
anschließende Regierungszeit unseres Bürgermeisters
Karl Krögers, der den Wetzener Bürgern von 1934 bis
1974 zur Seite stand.
Von November 1944 bis August 1945 mußte Karl
Kröger wegen Einberufung zum Kriegsdienst von Karl
Schlüter sen. vertreten werden, der damit auch eine
sehr schwierige Aufgabe hatte; denn es mußte nicht
nur Kriegsgefangene, sondern auch vermehrt Flücht-
linge untergebracht und eingegliedert werden.
Für Karl Kröger begann der Amtsantritt gleich mir zwei
angenehmen Aufgaben. Er widmete sich der Gründung
von Schützenverein und Feuerwehr. Um dem Schüt-
zenverein und Feuerwehr ein Dach über den Kopf
Hermann Peter Blanck
zu verschaffen, überzeugte er die Besitzer der Realge-
meinde, aus ihren Wäldern Holz für die ersten Unter-
künfte zu Verfügung zu stellen.
Nach seiner Rückkehr vom Kriegsdienst hatte Karl
Kröger die schwere Aufgabe, die große Flut der
Ostflüchtlinge in die Dorfgemeinschaft einzugliedern.
Große Probleme bereitete es ihm, für die Kriegsgefan-
gene Rentenversicherungsunterlagen anzulegen.
Wie er weiter erzählte, brachte es ihm auch nicht gerade
Freundschaft ein, wenn er den Wetzener Bürgern
Flüchtlinge und Kriegsgefangene zur Unterbringung
zuteilen mußte. Nicht immer schlug den Neuhinzu-
kommenen eine Welle von Sympathie entgegen, denn
auch viele Söhne von den Wetzenern Familien waren im
Krieg geblieben. Zudem hatten die Alliierten während
dieser Zeit auch Wetzen besetzt und zögerten keines-
wegs, sich dei schönsten Unterkünfte zu beschlag-
nahmen.
Karl Kröger

Die Alliierten fühlten sich aber offensichtlich schon
sehr bald heimisch in der Wetzener Gesellschaft. Sie
beschlagnahmten kurzerhand das Klavier von Adolf
Wölper, brachten es in ihren Hauptstützpunkt nach
Drögenindorf und feierten die Feste, wie sie fielen.
Die Flüchtlinge feierten zwar nicht gerade Feste, aber
auch sie fühlten sich sehr bald gut aufgehoben in
Wetzen.
Ein weiteres, zeitlich schon früheres Ereignis bereitete
dem Bürgermeister große Sorgen. Plötzlich einsetzendes
Tauwetter mit starken Regen ließ die Luhe zum reißen-
den Fluß werden. Am 25. Februar 1940 (in der Nacht zum
Sonntag) trat die Luhe beiderseits der Brücke über die
Ufer und überschwemmte die Straße kniehoch. Tischler-
meister Hinrichs, der nachts von einer Hochzeit mit sei-
nem Auto kam, blieb auf der Brücke liegen und mußte
seinen Heimweg zu Fuß fortsetzen. Währenddessen ent-
rissen ihm die wilden Fluten einen Koffer, demn man erst
am nächsten Nachmittag aus einem Strauch in den Luhe-
wiesen bergen konnte. Die noch weiter steigenden
Wassermassen beschädigten die Luhebrücke so stark,
daß sie unpassierbar wurde. Auf großes Drängen von
Bürgermeister Kröger begab sich Zimmermeister Kröger
aus Putensen noch am Sonntagnachmittag an das Werk,
die Brücke mit Balken und Bohlen wieder mir der Straße
zu verbinden.
Holzbrücke
Im Jahre 1942 wurde eine neue Holzbrücke von den
Harburger Pionieren (Offiziersanwärtern) erstellt, die,
wie auf dem Bild unten erkennbar, an den Bürgermei-
ser feierlich übergeben wird.

Im Sommer 1946 wurde der Gemeindefriedhof in
Wetzen angelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle
verstorbenen mit Pferd und Wagen nach Raven über-
führt, um dort die letzte Ruhestätte zu finden. Die Trau-
ergemeinde folgte dann zu Fuß dem Sarg bis Raven
und gab so das letzte Geleit.
Das Ehrenmal auf dem Friedhof wurde 1952 erstellt
und eingeweiht. Zeitgleich wurde am alten Berg ein
neues Gemeindehaus für die Unterbringung der
Flüchtlinge gebaut. 1959 erhielt Wetzen die erste befe-
stigte Ortsdurchfahrt aus Beton. Die Straße beginnt an
der Abzweigung nach Marxen und endet an der
Verbindungsstraße nach Salzhausen. Viele Bürger
waren glücklich, daß man nun endlich die Ortsdurch-
fahrt bequemer passieren konnte, doch wie folgender
Dialog beweist, waren auch einige verängstigt.
Wilhelmine Cordes ermahnte ihren Vater (Georg
Lühmann):"Opa, gah ok ümmer vörsichtig öber de
Straat, dor föhrt nu veele Autos!"
"Wot geiht mi dat an", erwiderte Georg, "dat is min
Straat, dor kann ick gahn wo und wann ick will."
Doch der Fortschritt war nun auch in Wetzen nicht
mehr aufzuhalten. 1962/63 wurde die Panzerstraße
gebaut, die sich jeweils an der Ortsdurchfahrt anschloß
und Wetzen mit Raven und Oerzen verband. Im Zuge
dieser Baumaßnahmen wurde auch die erste massive
Luhebrücke erstellt.
1966 einigten sich Bürgermeister und Gemeinderat,
daß es weder zeitgemäß, noch zumutbar sei(räumlich
sehr beengte Verhältnisse in den Häusern durch den
rapiden Bevölkerungszuwachs in Wetzen)=, weiterhin
die Verstorbenen in den Wohnungen aufzubahren.
Eine Friedhofskapelle mußte her, doch die wollte auch
bezahlt sein. Durch große Spendenfreude und durch
den Einsatz von mühsam gesparten Gemeindegeldern
ließ sich auch dies Werk realisieren.
Die noch fehlende Glocke stiftete unbürokratisch und
bereitwillig der Landkreis Harburg.


Richtfest
Rückblickend sagt heute Karl Kröger:"Es gab schwere
Jahre und es gab auch viele schöne Jahre, und meine
Arbeit als Bürgermeister habe ich mit meinem Gemein-
derat immer gern für die Bürger von Wetzen getan."1934
standen folgende Gemeinderatsmitglieder Karl Kröger
zur Seite: Karl Schlüter sen. als 1.Beigeordneter, als Rats-
mitglieder Heinrich Hinrichs, Otto Meyer, Gustav Bee-
ken, Hermann Cordes und Ludwig Warner.
Der glückliche Gesichtsausdruck verändert sich zuse-
hends, wenn Karl Kröger das Jahr 1974 erwähnt - Wetzen
verliert seine Eigenständigkeit. Durch die Gebietsreform
1972, die schon Dr. Reineke als weiteren unsinnigen Bei-
trag bezeichnete, gehörte Wetzen plötzlich zur Samtge-
meinde Amelinghausen und hieß nun Oldendorf/Luhe.
Niemand in Wetzen hatte Verständnis für diese Reform,
denn man hatte doch sehr enge Verbindungen zum
Landkreis Harburg. Ob es die Feuerwehr war oder der
Schützenverein, jeder führte seine sportlichen Wett-
kämpfe im Landkreis Harburg aus und hatte somit auch
hier seine herzlichen Verbindungen.
Doch alle Trauer und jedes "Auf-die-Hinterbeine-
stellen" brachte nicht den gewünschten Erfolg. Was
1972 beschlossen wurde, fand am 28. März 1974 in
einem sogenannten feierlichen Akt seinen Vollzug.
Wenn auch das Dienstsiegel in Wetzen blieb, so ging
dennoch viel für die Wetzener durch die Eingemein-
dung verloren. Ältere Mitbürger weigerten sich hart-
näckig, diesen Zustand anzuerkennen. Sie gingen
weiterhin zu ihrem Bürgermeister, der für sie weiterhin
Karl Kröger hieß.
Doch jede Wunde heilt einmal, und so gewöhnten sich
auch die Wetzener Bürger langsam an die neue
Verwaltung, die zwischenzeitlich Wetzen als vollwer-
tiges Mitglied in der Samtgemeinde anerkannt hat.
Der neu zu wählende Gemeinderat setzte sich nun aus
Vertretern von Marxen, Oldendorf und Wetzen
zusammen. Der nun für Wetzen zuständige Bürger-
meister war Walter Hinze aus Oldendorf. Es stand der
Gemeinde bis 1976 vor und wurde dann von Georg
Kruse abgelöst, der noch heute im Amt ist.

Dienstsiegel
Unter seiner Leitung wurde 1978 die letzte Pflaster-
straße von der Wetzener Ortsmitte bis zur Verbin-
dungsstraße nach Oldendorf durch eine Teersteaße
ersetzt.
1976 wurde in Wetzen die ersten offiziellen Straßen-
namen eingeführt. Eine neue Durchgangsstraße mit
neuer Straßenbeleuchtung erhielt Wetzen in den
Jahren 1985 bis 1986. Integriert in dieses Bauvorhaben
wurde das Verlegen der Gasleitung und der Bau des
Schmutzwasserkanals. Da Wetzens Bürger für dieses
Bauvorhaben einen namhaften Betrag aus eigener
Tasche zusteuern mußten, wurden zur Beruhigung der
Gemüter eine Bürgerversammlung einberufen, in wel-
cher für das neue Projekt geworben wurde. Doch auch
hier gingen die Wogen hoch. Die entfachten Turbulen-
zen zogen später politische Veränderungen nach sich,
doch wie schon eingangserwähnt, war die große Politik
nie das Thema der Wetzener. Aufgrund politischer Que-
rälen trat Helmut Petersen aus Samtgemeinde und
Gemeinderat zurück. Peter Vogt steht heute nun ganz
allein vor der schweren Aufgabe, unseren schönen Ort
würdig im Gemeinderat zu vertreten.